Betablocker bei Bluthochdruck keine erste Wahl – oder?

Manche erinnern sich vielleicht noch: Bereits im Jahr 2006 wurde intensiv diskutiert, ob Betablocker in der Therapie des Bluthochdrucks als Arzneimittel der ersten Wahl zum Einsatz kommen sollten. Seitdem sind einige Jahre vergangen – doch völlige Klarheit herrscht bei der Fragestellung offenbar noch immer nicht.

In einem kürzlich im „Lancet“ erschienen Artikel weisen drei Wissenschaftler darauf hin, dass die neuste Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Hypertonie (European Society of Hypertension, ESH) Betablocker in der Rangordnung der bei Bluthochdruck eingesetzten Arzneimittel aufgewertet habe. Dazu erklären sie jedoch, dass es keine neuen Erkenntnisse gebe, welche die Einstufung von Betablockern als Erstlinientherapie bei Bluthochdruck rechtfertigen würden und schreiben: „Wir sind besorgt, dass dieser Schritt zu weitreichendem Schaden führen könnte, aufgrund des geringerem Schutz vor Schlaganfällen“. Man könnte den Schritt auch als Rückschritt interpretieren, denn wie die Autoren des Artikels erklären, habe es zuvor Jahrzehnte gedauert, bis die Leitlinienausschüsse den Status der Betablocker gegen den Willen der Pharmaindustrie herabgestuft hatten [1].

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In den ESH-Leitlinien zum Management der arteriellen Hypertonie 2023 heißt es aus dem Englischen übersetzt: „Fünf Arzneimittelklassen, darunter ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptor-Blocker, Betablocker, Calcium-Kanal-Blocker und Thiazide/Thiazid-ähnliche Diuretika haben in randomisiert-kontrollierten Studien effektiv den Blutdruck und kardiovaskuläre Ereignisse reduziert.“ Diese Wirkstoffe werden demnach allein oder in Kombination gleichwertig als Basis der Hypertonie-Therapie empfohlen. Gegenüber der ESH-Leitlinie von 2018 hat sich damit nur die Formulierung, nicht aber die inhaltliche Aussage verändert [2,3].

Was US-amerikanische und deutsche Leitlinien sagen

Die Lancet-Autoren führen jedoch an, dass Betablocker in den meisten nationalen und internationalen Bluthochdruck-Leitlinien nur dann als Alternative angesehen werden, wenn es dafür eine spezifische Indikation gibt [1]. Bereits im September 2021 machte ein deutschsprachiger Artikel unter Berufung auf eine Metaanalyse darauf aufmerksam, dass Betablocker bei der Therapie der Hypertonie an Bedeutung verloren haben [4,5]. Demnach führen US-amerikanische Hypertonie-Leitlinien Betablocker nicht mehr als erste Wahl auf. In den allgemeinen Grundsätzen zur Arzneimitteltherapie stehen dort (Stand 2018) als bevorzugte Wirkstoffe Thiaziddiuretika, ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptor-Blocker und Calciumkanal-Blocker. Zu Betablockern wird hingegen betont, dass es nur unzureichende Belege gebe, diese initial bei Bluthochdruck einzusetzen – wenn keine spezifischen kardiovaskulären Komorbiditäten vorliegen (siehe Kasten am Ende des Textes) [6]. 

Auch die aktuelle deutsche Hypertonie-Leitlinie von diesem Jahr führt Betablocker nicht unter den Wirkstoffklassen der ersten Wahl auf. Zur Erklärung heißt es dort [7]:

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